Boreout Syndrom – die Folge chronischer Unterforderung und Langeweile

Während sich Burnout als Erkrankung mittlerweile etabliert hat, spricht man über seinen Zwilling, die psychische Erkrankung aufgrund Langeweile „Boreout“ (englisch: to bore = langweilen) eher selten, obwohl mindestens 10% der deutschen Arbeitnehmer davon betroffen sind. In einer Gesellschaft, in der nur Leistung zählt und ein Burnout fast schon als Krönung des eigenen Erfolgs gesehen wird, wird Langeweile eher verheimlicht. Sie kann nicht mit Erfolg verbunden werden und ist nichts, womit man angeben kann. Viele schämen sich sogar dafür.

Dabei ist Langeweile mittlerweile ganz gut erforscht. Wie oft höre ich die Aussage über meine Hund: „oh, das ist aber eine Rasse, die ausgelastet werden muss“. Und selbst die Tiere in unseren Zoos erhalten mittlerweile ein Beschäftigungsprogramm gegen Langeweile, es gibt Tieranimateure um Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen. Animateure im Büro sind nicht notwendig, aber verantwortungsbewusste Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter nach ihren Fähigkeiten einsetzen und entscheiden lassen, sowie ein wertschätzendes Betriebsklima!

Zu Tode langweilen – der Beginn einer Krankheit

Die Symptome eines Boreouts sind ähnlich wie die eines Burnouts. Körperliche Beschwerden wie chronische Kopf- und Rückenschmerzen, Herzkreislauferkrankungen und Magen-Darm-Beschwerden sind ebenso eine Folge wie psychische Probleme bis hin zu Depressionen. Nicht umsonst sprechen wir auch von „ich langweile mich zu Tode“ – im Sprachgebrauch kennen wir dieses Phänomen schon lange. Für die von chronischer Langeweile Betroffenen beginnt in der Regel ein langer Leidensweg, da sie über ihre Probleme eben nicht so offen sprechen können, wie die chronisch Überforderten.

Sie entwickeln eine eigene Handlungsstrategie, die häufig mit einer inneren Kündigung gegenüber ihrem Arbeitgeber einhergeht, statt sich mit einer echten Kündigung von dem ungeliebten Arbeitsplatz zu trennen. In Zeiten sozialer Unsicherheiten findet man dieses Phänomen daher häufiger als während wirtschaftlich guter Phasen.

Von Macht zu Ohnmacht

Die Betroffenen zeichnen sich oft durch bestimmte Charakteristika aus. So haben sie in der Regel einen hohen Leistungswillen und starke Leistungsfähigkeiten, arbeiten gerne eigenverantwortlich und lösungsorientiert. Finden diese Menschen sich nun an einem Arbeitsplatz wieder, bei dem sie nichts oder subjektiv gesehen nichts Sinnvolles zu tun haben, so entsteht ein Gefühl der inneren Leere. Besteht – aus welchem Grunde auch immer – keine Möglichkeit zur Veränderung der Situation, so flüchten sie sich irgendwann in die innere Kündigung. Dies führt bei diesen doch leistungsorientierten Mitarbeitern aber zu einem gewaltigen Widerspruch und Leidensdruck. Überqualifizierung und Unterforderung sind eine schlechte Kombination und nagen am Selbstwertgefühl des betroffenen Menschen. Die entstehende Erkrankung führt zu einem Leistungsabfall, der für Außenstehende, Kollegen und Vorgesetzte meist leider nicht mit einer Erkrankung in Verbindung gebracht wird. Antriebslosigkeit und schlechte Stimmung entstehen auf Dauer, auch im privaten Bereich.

Boreout im Selbstversuch

Angst vor Veränderung und Arbeitslosigkeit, ein Vorgesetztenwechsel oder sich verändernde Bedingungen am Arbeitsplatz sind häufig der Auslöser für eine Erkrankung im Sinne des Boreouts. Zu wenig oder falsche Aufgaben am Arbeitsplatz führen zu Stress. Negativ empfundener Stress macht auf Dauer krank. Quälende Langeweile, weil das zu Erledigende nicht erfüllend empfunden wird, oder weil einfach nichts zu tun ist und der Betroffene nur seine Zeit absitzt, macht krank.

Ein interessanter und unbedingt sehenswerter Selbstversuch zum Thema Boreout ist in der Mediathek von 3Sat in der Wissenschaftsdoku „Tödliche Langeweile“ zu sehen. „Ich fühle mich platt und leer vom Nichtstun, vom lethargisch rumsitzen. Ich hätte nicht gedacht, dass das so anstrengend sein und verspüre leichte Kopfschmerzen“ sagt der Proband nach 4 Tagen Selbstversuch ohne Tätigkeiten im Büro. Nach nur knapp 5 Tagen und vorzeitigem Abbruch des Versuches konnte festgestellt werden, dass die für die Gesundheit und Resilienz so wichtige Selbstwirksam deutlich abgenommen hat. Die Leistungsmotivation ist um 10% gesunken und das Wohlbefinden gar um 17%!

Die innerliche Leere, die durch einen Mangel an reizvollen Tätigkeiten und Aufgaben entsteht, verbraucht Energie. Sie macht müde, schädigt Immunsystem und Psyche.

Ein Teufelskreis aus Unterforderung und Leistungsabfall

Paradox wird die Situation für den Betroffenen erst recht, wenn er versucht seine Unterforderung zu kaschieren. Er tut dann so, als hätte er besonders viel zu tun. Oder dehnt alle Tätigkeiten auf ein langes Zeitmaß aus. Tragischerweise entstehen in so einer Situation auch eher Fehler. Oder ein plötzlicher Anstieg der Arbeitslast kann nicht mehr bewältigt werden. Angst, entdeckt und weg rationalisiert zu werden kann ein Grund für dieses Verhalten sein. Aber auch hier spielt das Leistungsprinzip in unserer Gesellschaft eine Rolle – persönlicher Wert bemisst sich nach der persönlichen Leistung. Also darf Langeweile gar nicht sein. Und wie gesagt, betroffen sind ja vor allem Menschen mit unbedingtem Leistungswillen und Innovationsfähigkeiten.

Begeben sich die Menschen in medizinische Behandlung, dann lautet die Diagnose häufig „Depressionen“. Das ist auch nicht verwunderlich, denn das Gefühl der inneren Leere und Wertlosigkeit kann einen schon traurig machen. Bei der entsprechenden Veranlagung entstehen Depressionen. Die eigentliche Ursache zu erkunden wird aber schwierig, da über die Situation meist nur langsam offen geredet wird.

Fühlen Sie sich von dem hier beschriebenen angesprochen und haben Sie das Gefühl, nicht mehr alleine aus dieser Spirale heraus zu kommen, so suchen Sie sich Hilfe. Gerne unterstütze ich Sie dabei, einen Weg aus diesem Kreislauf zu finden.

Quellen:

Elisabeth Prammer: Boreout – Biografien der Unterforderung und Langeweile, Springer Fachmedien

http://www.3sat.de/