Hysterie und das Frauenbild in der Medizin

Man sollte meinen, dass sich das Frauenbild in der Medizin in den letzten 2400 Jahren grundlegend gewandelt habe. Hippokrates, der berühmteste Arzt des Altertums, hat den Begriff der Hysterie geprägt und diese als reine Frauenkrankheit definiert. Werden übergroße Emotionalität immer noch als Ursache für körperliche Reaktionen angesehen? Ja…

Hysterie (Foto: olly18/Shotshop.com)

Hysterie (Foto: olly18/Shotshop.com)

Als Hysterie bezeichnen wir heute ein übertriebenes und theatralisches Verhalten. Starke Gefühlsausdrücke und Stimmungsschwankungen gehören dazu, genauso wie emotionale Labilität und Überreaktionen. Dass dieses Verhalten für typisch weiblich gehalten wurde, erkennt man bereits am Wortstamm. Denn „hystera“ ist das altgriechische Wort für Gebärmutter.

Die wandernde Gebärmutter als Ursache für Hysterie

Die alten Griechen haben angenommen, dass die Ursache für hysterisches Verhalten in der Gebärmutter liege. Es herrschte die Vorstellung, dass eine wandernde Gebärmutter die Ursache sei. Wenn diese nicht regelmäßig durch den männlichen Samen versorgt würde, dann würde sie auf der Suche nach diesem durch den ganzen Körper und in andere Organe wandern. Dadurch würden „hysterische“ Symptome ausgelöst, häufig auch begleitet von Unterleibsschmerzen. Diese Vorstellung hielt sich bis ins 17. Jahrhundert. Später nannte man die hysterischen Störungen auch „Neurose des weiblichen Zeugungsapparates“.

Als Behandlung empfahl man damals Geschlechtsverkehr und eine Schwangerschaft. Dadurch geräte die Gebärmutter wieder an ihren richtigen Platz. Psychische Störungen galten lange Zeit als rein weibliches Phänomen.

Hysterie ist der veraltete Begriff für eine Persönlichkeitsstörung. Hysterisches Verhalten kennen wir aber heute noch als Umschreibung für übertriebene Emotionalität, vor allem im Zusammenhang mit Ängsten.

Zyklusstörung durch „Hysterie“?

Wie komme ich gerade jetzt auf das Thema? Im vergangenen Jahr wurde immer wieder darüber berichtet, dass Frauen nach einer Corona-Impfung Veränderungen in ihrem Zyklus festgestellt hatten. Nicht wenige beobachteten sogar spontan einsetzende Blutungen. Dass dies mit den Impfstoffen zusammenhängen könne, wurde eifrig verneint. Stattdessen wurde dies auf Stress geschoben. Der Vorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte Prof. Dr. Christian Albring gab tatsächlich folgende unfassbare Begründung:

„Alles, was das Gehirn beeinflusst, kann zu Blutungen führen. Und so ist es für Frauenärzte überhaupt nichts Besonderes, dass Frauen durch Stress mit Blutungen reagieren. Ich habe heute den ganzen Vormittag geimpft, da sind einige unheimlich aufgeregt, die haben die ganze Nacht schon nicht geschlafen.“

Ja, ganz normal – bei Stress setzt die Periode ein. Wir Frauen bluten dann plötzlich. Welche Frau kennt das nicht? Und so eine Impfung kann einem schon mal vor Aufregung den Schlaf rauben… Achtung: Ironie!

Stress oder doch Nebenwirkung?

Der SWR schrieb im Juli 2021 unter Bezugnahme auf oben genannten Frauenarzt: „Paul-Ehrlich-Institut sieht keinen Zusammenhang. Wenn Zyklusveränderungen oder verstärkte Blutungen eine häufige Nebenwirkung der Covid-19-Impfung wären, dann hätte das bereits auffallen müssen – meint der Gynäkologe. In den klinischen Studien der Impfstoffhersteller sei nicht von veränderten Menstruationen und Blutungsstörungen berichtet worden. Allerdings ist nicht sicher, ob danach überhaupt gefragt wurde.“

Ende 2022: Zyklusstörung anerkannte Nebenwirkung

Der letzte Satz wird sich wohl bewahrheitet haben. Ich denke, dass dies ein weiteres Beispiel für die Mangelhaftigkeit der klinischen Studien durch Pfizer und Moderna ist. Diese Mängel treten ja immer mehr zutage. Denn tatsächlich ist vergangene Woche bekannt geworden, dass die europäische Arzneimittelbehörde EMA starke Menstruationsbeschwerden als eine mögliche Nebenwirkung der Corona-Impfstoffe von Biontech und Moderna anerkennt. Die Menstruation könne länger andauern oder stärker sein. Dies sei aber zumeist nur vorübergehend und auch nicht schwerwiegend.

Die EMA sagt, es gebe auch keinerlei Hinweise, dass negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit bestünden. Wenn man aber bedenkt, dass bereits im letzten Frühsommer die ersten Berichte über Zyklusstörungen auftauchten, wie bspw. auch das RND berichtete, dann wird man vielleicht im nächsten Herbst auch Zusammenhänge mit der Fruchtbarkeit zugeben müssen. Schließlich sieht man seit Monaten weltweit eine deutliche Abnahme der Geburtenraten, ohne dass es bislang eine schlüssige Erklärung gibt.

Ich finde dies nicht sehr vertrauenserweckend. Befremdlich ist vor allem, dass offensichtlich 2400 Jahre nach Hippokrates immer noch Ärzte weibliche Labilität und Aufgeregtheit eher als Ursache für körperliche Symptome ansehen als pharmakologische Nebenwirkungen. Nebenbei: die grundlegende ärztliche Ethik beruht übrigens auf dem hippokratischen Eid: „primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare” (deutsch: „erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen“).

 

Quellen:

https://medlexi.de/Hysterie

https://www.swr.de/wissen/menstruationsveraenderung-nach-corona-impfung-100.html

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-impfung-menstruation-nebenwirkung-100.html

Sonderlinge, Außenseiter, Femmes Fatales: Das „andere“ Wien um 1900, von Michaela Lindinger, Amalthea Signum Verlag

 

Mein Beitrag darf gerne geteilt werden:

Wenn Sie auf die entsprechenden Buttons klicken, werden Daten an Facebook oder WhatsApp übertragen und unter Umständen dort auch gespeichert. Die Betreiberin dieser Seite hat keinen Einfluss auf die Datenerhebung und deren weitere Verwendung durch die sozialen Netzwerke.
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte meiner Erklärung zum 
Datenschutz