Depressionen und Ängste bei Long Covid (und ohne)

Ich habe in den beiden vorherigen Artikeln beschrieben, welche Gründe für ein Long Covid Syndrom bestehen können und welche Möglichkeiten für die Diagnose und für eine individuelle Therapie bei chronischer Müdigkeit bestehen. Stehen bei Ihnen jedoch neben der Müdigkeit vor allem auch Lustlosigkeit, Depressionen oder Ängste im Vordergrund? Dann sollten noch andere Parameter bestimmt werden, um eine individuelle Therapie einleiten zu können.

Depressionen mit und ohne Long Covid (Foto: ikurucan Shotshop.com)

Depressionen mit und ohne Long Covid (Foto: ikurucan Shotshop.com)

Mehrere Studien der letzten Monate weisen immer wieder darauf hin, dass die psychischen Belastungen durch die Maßnahmen wie Lockdown, Social Distancing und Home-Schooling drastisch angestiegen sind. Gleichzeitig mussten wir alle auf soziale Kontakte und viele andere wichtige Ressourcen verzichten, die unser Wohlbefinden steigern und uns widerstandsfähig machen. Vor allem junge Menschen sind stark psychisch belastet, wie bspw. eine britische Studie der University of Exeter berichtet. Stress, Angst, Depressionen wirken sich nicht nur auf die Gesundheit aus, sondern auch auf Schule und Studium. Die langfristigen Folgen für das spätere (Berufs-)Leben sind noch gar nicht absehbar.

Viele Freundschaften sind in dieser Zeit zerbrochen. Durch Familien ziehen sich teilweise tiefe Risse. Ob und wie sich diese wichtigen Verbindungen wieder schließen lassen wird die Zeit zeigen.

Psychotherapie und Antidepressiva – hilft noch was anderes bei Depressionen?

Depressionen und Ängste werden in der Regel mit Psychotherapie (wenn man einen Therapieplatz erhält) und Antidepressiva behandelt. Der Erfolg ist oft mäßig. Dabei wäre es überaus sinnvoll, tiefer zu schauen. Sehr häufig gibt es biochemische Gründe für die Symptome. Ich empfehle bei depressiven Phasen und nicht enden wollender Unruhe sehr gerne die vollständige Untersuchung des Tryptophan Stoffwechsels und der Katecholamine aus dem Urin.

Die unterschiedlichsten Faktoren können Stress auslösen. Das ist kein neues Phänomen. Ängste und Probleme aktivieren im Körper neuroendokrine Funktionen, also Abläufe die mit dem Nerven- und dem Hormonsystem in Verbindung stehen. Hierzu gehört die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol oder Adrenalin. Bei chronischem Stress kommt es zu einem permanenten Verbrauch von Stresshormonen und Neurotransmittern (speziellen Botenstoffen) – solange bis die Speicher leer sind. Wenn die Speicher aber einmal leer sind, dann entstehen starke psychische und körperliche Erschöpfungszustände. Eine sinnvolle Untersuchung erforscht, an welchem Punkt genau eingehakt werden kann. Wenn der Schwachpunkt gefunden ist, dann können wir die individuellen Speicher wieder füllen.

Über Glückshormone und Motivationshormone

Ich arbeite bei diesen Symptomen sehr gerne mit einer kompletten Analyse, die einen umfassenden Überblick verschafft über die Folgen der stressbedingten Erkrankungen. Mehr als 30 Parameter zeigen alle wichtigen Einflussfaktoren. Diese Untersuchung (aus dem Urin) umfasst:

  • Tryptophan und Serotonin, gemeinhin als das „Glückshormon“ bezeichnet. Aus Serotonin wird das Schlafhormon Melatonin gebildet. Chronische Entzündungen oder eine silent inflammation verschieben den Tryptophan Stoffwechsel und führen zu einem Mangel an Serotonin. Diese Faktoren zu ermitteln ist wichtig bei der Diagnostik und für die weitere Therapie.
  • Die aus der Aminosäure Phenylalanin gebildeten Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Sie sind entscheidend u.a. für Motivation und Leistungsbereitschaft. Ein Ungleichgewicht kann zu schwerwiegenden körperlichen und psychischen Symptomen führen. Sowohl Depressionen, wie auch chronische Müdigkeit können in einem Mangel der Katecholamine begründet sein.
  • Glutamat und GABA: GABA ist der wichtigste hemmende und damit beruhigend wirkende Neurotransmitter. Ein Mangel führt zu innerer Unruhe und verstärkten Ängsten. Inneres Zittern und nicht Abschalten können sind typische Symptome. GABA ist der Gegenspieler zu allen anregenden Stresshormonen. Es muss ausreichend vorhanden sein.

Wissen Sie, wie es um Ihre Neurotransmitter steht? Bestehen Ungleichgewichte im Zusammenspiel dieser Neurotransmitter, dann entstehen Symptome. Eine gesunde Stressreaktion im Körper kann nur durch ein gutes Gleichgewicht aller Faktoren erreicht werden. Hierfür sind vor allem auch die sogenannten Cofaktoren wichtig, wie bspw. B-Vitamine oder die wichtigen Methylgruppendonatoren. Auch diese werden in der erwähnten Analyse untersucht.

Ursache: chronischer Stress

Chronischer Stress, aber auch starke Schmerzen und Entzündungen können die Ursache für Verschiebungen der Botenstoffe sein. Dies kann sich auch negativ auf die Mitochondrien (Zellkraftwerke) auswirken und führt dann zu einer verringerten Bildung von Energie. Die Folge ist dann logischerweise eine chronische Müdigkeit.

Wenn man wirklich verstehen will, was im Körper abläuft und was die Gründe für Depressionen und Ängste sind, dann reichen reine Bestimmungen nur der Neurotransmitter nicht aus, sondern es müssen eben auch die Cofaktoren mit ermittelt werden. Diese sind wichtig, um das System am laufen zu halten.

Antidepressiva helfen nicht immer

Die schulmedizinische Behandlung gibt depressiven Patienten in der Regel Antidepressiva. Laut einem Bericht in den Ruhr Nachrichten von letzter Woche werden die meisten der Long Covid Patienten in einem Dortmunder Krankenhaus auch nur rein symptomatisch mit Antidepressiva behandelt. Zu diesen Medikamenten muss man wissen, dass sie alle versuchen, den Serotoninhaushalt des Patienten zu beeinflussen. Das Ziel ist, mehr des Glückshormons Serotonin verfügbar zu machen. Nur einige wenige Medikamente greifen auch in den Noradrenalin Haushalt ein. Dies sind aber nur zwei der wichtigen Botenstoffe. Wenn nun aber ein Mangel an Dopamin vorliegt, oder ein Defizit an GABA, dann ist mit diesen Medikamenten nichts gewonnen. Dann darf man sich nicht wundern, dass die Therapie nicht erfolgreich ist. Ganz davon abgesehen haben Antidepressiva häufig recht starke Nebenwirkungen.

Daher ist es wirklich sinnvoll nach der genauen biochemischen Ursache zu suchen. Wo im System läuft etwas nicht rund? Denn dann kann genau dort der Körper zielgerichtet unterstützt werden um selbst wieder ausreichend und ausgeglichen seine wichtigen Botenstoffe zu produzieren. Leider ist diese Untersuchung mit ca. 250€ nicht ganz günstig. Aber es ist immer sinnvoller zu messen, statt nur zu raten.

Lesen Sie auch meine Artikel zu den möglichen Ursachen eines Long Covid Syndroms und die Therapie bei starker Müdigkeit.

Quellen:

Labor Biovis

Ruhrnachrichten

https://www.mdpi.com/1660-4601/19/3/1132/htm

 

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