Long Covid: was sind die Ursachen für die Müdigkeit?

Müdigkeit und Erschöpfung gehören zu den Hauptsymptomen des Long Covid Syndroms. Müdigkeit und Erschöpfung sind allerdings keine neue Erfindung, sie begleiten meinen Praxisalltag seit vielen Jahren. Was ist aber das Besondere an Long Covid?

Long Covid alphaspirit/Shotshop.com

Long Covid (alphaspirit/Shotshop.com)

Ist Long Covid wirklich ausschließlich die Folge einer Infektion mit dem Corona Virus? Sind es organische Gründe, oder gibt es noch andere für eine langanhaltende Müdigkeit in diesen Tagen?

Um zu verstehen, was Long Covid ausmacht und damit auch Möglichkeiten der Therapie zu finden ist es wichtig, die Zusammenhänge zu beleuchten. Mediziner und Wissenschaftler weltweit forschen intensiv daran. Täglich werden neue Studien veröffentlicht und neue Erkenntnisse gewonnen, die sich teilweise auch widersprechen. Wissenschaft ist nun mal nicht die eine und eindeutige Wahrheit. Was für Schäden richtet das Virus im menschlichen Körper an, welche Medikamente und Therapie können helfen?

Aus ganzheitlicher Sicht kommen neben organischen Problemen aber noch weitere Aspekte in Betracht. Das Corona Virus kommt ja nicht alleine. Wir dürfen die psychischen und sozialen Zusammenhänge nicht außer Acht lassen. Zwei Jahre Pandemie haben viele Spuren hinterlassen.

Long Covid oder Post Covid?

Als Long Covid Syndrom werden lang andauernde Symptome 4-12 Wochen nach einer akuten Corona Infektion definiert. Länger anhaltende Beschwerden werden korrekterweise als Post Covid bezeichnet. Allerdings spielt diese Unterscheidung im medizinischen Alltag keine entscheidende Rolle und daher werden die Begriffe häufig synonym verwendet.

Zu den typischen Symptomen gehören laut der S1-Leitlinie Long-/Post-COVID:

  • Fatigue (schwere und langanhaltende Müdigkeit)
  • Eingeschränkte Belastbarkeit
  • Atemnot bei Belastung
  • Kopf-, Muskel-, Gliederschmerzen
  • Geruchs- und Geschmacksstörungen

Gelegentlich tauchen auch psychische Probleme wie Denkstörungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmung oder Angst auf. Dies sind fast alles Symptome, wie sie typischerweise auch beim Burnout beschrieben werden. Ist Long Covid vielleicht das ausgebrannt-sein nach zwei Jahren Pandemie? Handelt es sich eigentlich um eine Form einer Anpassungsstörung?

Long Covid tritt häufig ohne Infektion auf

Die Symptome von Long Covid sind gar nicht zwangsläufig die Folge einer Corona-Infektion. Darauf lassen viele Studien schließen. So zitiert das Ärzteblatt eine französische Studie aus dem letzten Jahr. Diese zeigt, dass viele Menschen, die meinen, an Long Covid zu leiden, eben gar keine Infektion mit dem Virus hatten. Alles nur Einbildung, oder was passiert da wirklich? (1)

Im European Journal of pediatrics ist vergangenen Monat eine weitere interessante Studie veröffentlicht worden zu Long Covid bei Kindern und Jugendlichen. (2) Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die akute Covid Infektion bei Kindern deutlich milder verläuft als bei Erwachsenen. Dänemark hat im Gegensatz zu Deutschland sehr gut dokumentierte Zahlen. Dort mussten nur 0,08% der an Corona erkrankten Kinder stationär im Krankenhaus versorgt werden.

Viele Eltern sind aber in Sorge vor Long Covid bei ihren Kindern. Diese Angst ist durchaus verständlich, da die Medien ja ständig über Long Covid berichten und Einzelfälle ausführlich dokumentieren. In der Tat klagen laut der erwähnten Studie 12-52% der erkrankten Kinder auch noch 4 Wochen nach der akuten Phase eine Infektion über Symptome. Ältere Kinder waren dabei häufiger betroffen als jüngere. Neben Geruchs- und Geschmacksverlust waren vor allem Müdigkeit und Konzentrationsstörungen die häufigsten Symptome.

Kontrollgruppe mit denselben Symptomen

Im Gegensatz zu vielen anderen gab es bei dieser Studie eine Kontrollgruppe mit Kindern, die nicht an Corona erkrankt waren. Interessanterweise haben aber auch die Kinder in der Kontrollgruppe über ganz ähnliche Symptome geklagt, auch jeweils über einen ähnlich langen Zeitraum wie die erkrankten Kinder! Es muss also auch noch andere Faktoren geben außer einer Corona Infektion, die für typische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Leistungseinbruch verantwortlich sind. Mögliche andere Ursachen können bspw. auch in einer Infektion mit einem anderen Erreger liegen, bspw. dem Epstein Barr Virus – oder dessen Reaktivierung. Von diesem Virus (Auslöser des Pfeiffer’schen Drüsenfiebers) ist schon lange bekannt, dass es zu Leistungseinbrüchen und Müdigkeit führen kann.

Nicht ganz unwahrscheinlich ist aber, dass die Symptome nicht die Folge des Virus sondern die psychosomatischen Folgen der politischen Maßnahmen zur Eindämmung von Infektionen, wie bspw. Quarantäne, Social Distancing, Masken und die ständige Angst vor Krankheit und Tod.

Beim Vergleich der Werte blieben tatsächlich nur 0,8% Unterschied zwischen den beiden Gruppen der erkrankten Kinder und der Kontrollgruppe. Es ist also wahrscheinlich, dass nur knapp 1% der erkrankten Kinder wirklich ein echtes Long Covid Syndrom entwickeln, das tatsächlich auf einer Infektion basiert. Diese Zahlen unterstützen die o.g. französische Studie, wonach das Corona Virus wahrscheinlich selten die wirkliche Ursache für Long Covid ist.

Impfungen schützen nicht vor Long Covid

Nach diesen Erkenntnissen wird es verständlich, dass die Impfungen gar nicht effektiv davor schützen können, Long Covid Symptome zu entwickeln. Eine Studie der Oxford University kam im Januar 2022 zu dem Ergebnis, dass die Impfungen zwar zum Teil vor schweren Verläufen und Tod bei akuten Infektionen schützen können. Allerdings gibt es bei sogenannten Impfdurchbrüchen, also symptomatischen Erkrankungen trotz Impfschutz keinen positiven Effekt in Form eines Schutzes vor Long Covid (3). Dies ist verständlich vor dem Hintergrund, dass das Virus ja offensichtlich eher nur selten wirklich die Ursache für die langfristigen Symptome ist.

In der Long-Covid-Ambulanz der Universitätsklinik Essen wurden bislang über 500 Patienten behandelt. Über die Erfahrungen hat der Leiter der Klinik für Neurologie Prof. Christof Kleinschnitz in einem Interview mit der WELT berichtet. Müdigkeit und Konzentrationsstörungen („Brain Fog“) sind die mit Abstand häufigsten Symptome. Der gefürchtete Geruchsverlust kommt meist nach spätestens 3 Monaten wieder zurück. (4)

Prof. Kleinschnitz schätzt die Wahrscheinlichkeit für ein Long Covid bei ca. 15% aller Corona Patienten. Allerdings sind bei 90% dieser Patienten überhaupt keine organischen Auffälligkeiten erkennbar – trotz umfangreicher Untersuchungen. Er sieht hauptsächlich psychologische und psychosomatische Ursachen als Grundlage für die Long Covid Symptome. Wenn nicht das Virus „Schuld“ ist, dann sollten wir Long Covid doch eher „LongLockdown“ nennen.

Wer erkrankt an Long Covid?

Sehr interessant ist vor allem die Beobachtung der Long-Covid-Patienten nach Berufsgruppen. 33% der Patienten der Essener Long Covid Ambulanz stammen aus dem Schulwesen, 30% aus Verwaltung und Dienstleistung und 18% aus Gesundheitsberufen. Handwerker oder Mitarbeiter im Baugewerbe sind nur zu 8% bzw. 3% % vertreten. (4) Als vor knapp 50 Jahren das Burnout Syndrom erstmals beschrieben wurde galten auch bereits die Sozialberufe als die besonders gefährdeten.

Wen betrifft Long Covid besonders? Insgesamt wird beobachtet, dass mehr Frauen als Männer daran leiden, hauptsächlich Frauen im Alter zwischen 30-50 Jahren. Frauen in dieser Altersgruppe gehören nun aber auch zu der Personengruppe, die überdurchschnittlich stark durch die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen waren. Es ist die Gruppe der Mütter, die sich neben der eigenen Berufstätigkeit um Homeschooling und Kinderbetreuung bei geschlossenen Schulen und Kitas kümmern musste. Noch immer sind es vermehrt Frauen, die nebenbei Pflegetätigkeiten in der Familie durchführen. Dieses Phänomen hat sich während der Corona Krise noch verstärkt. Denn wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung letztes Jahr ermittelt hat, gibt es einen erschreckenden Trend zur Rückkehr zu den typischen Geschlechterrollen. Männer äußern sich wieder zunehmend negativ gegenüber der Erwerbstätigkeit von Müttern. (6)

„Tatsächlich stieg für beschäftigte Mütter mit Kindern bis zwölf Jahren die zeitliche Gesamtbelastung (Summe aus bezahlter Arbeitszeit, Kinderbetreuung, Haushalt und Pendeln) im Frühjahr 2020 um acht Stunden pro Woche, für Väter um drei Stunden.“ So schreibt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in einer aktuellen Analyse zur geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktwirkung. Wen wundert es in dem Zusammenhang, dass eben ausgerechnet Frauen verstärkt an Symptomen wie Müdigkeit leiden?

Diese Punkte zusammen betrachtet lassen die Vermutung zu, dass es sich eben bei Long Covid wirklich weniger um Folgen einer Virusinfektion, sondern vermehrt um ein Zeichen von Ausgebranntsein handelt. Das heißt aber nicht, dass nicht organisch etwas im Körper passiert. Ganz im Gegenteil!

Entzündungsmarker im Gehirn erhöht

Licht ins Dunkel bringt eine weitere Studie u.a. von Forschern der Harvard Medical School, die erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Diese Studie liefert neue Beweise für erhöhte neuroinflammatorische Marker bei gesunden, nicht infizierten Personen während der Covid Pandemie. Alleine die Lockdown-Maßnahmen zeigten sich bei den Betroffenen mit Erhöhungen von bestimmten Entzündungsmarkern im Gehirn (PBR28). PBR28-Signalerhöhungen werden mit körperlicher und geistiger Erschöpfung in Verbindung gebracht, ebenso wie mit Stimmungsschwankungen. (5) Dass stressbedingte Entzündungen im Gehirn für psychische Symptome verantwortlich sein können klingt logisch.

Neuroimmunreaktionen sind Mechanismen, die durch Stress entstehen. Sie lösen Depressionen und andere Symptome chronischer, psychischer Belastung aus. Insgesamt weisen die Ergebnisse auf einen möglichen Zusammenhang zwischen pandemieassoziiertem Stress und Neuroimmunreaktionen hin. Also noch ein Punkt mehr für „LongLockDown“ statt Long Covid.

Die Erwartungshaltung

Viele Menschen haben überhaupt weniger Angst vor einer Infektion mit dem Virus als vor einem Long Covid Syndrom. Die Beobachtungen zeigen ja, dass die Symptome des Long Covid unabhängig von der Schwere der Infektion sind – oder eben gar nichts damit zu tun hat. So wie aber ein Nocebo Effekt bekannt ist bei den Nebenwirkungen von Medikamenten, so können wir auch nicht ausschließen, dass die Long Covid Symptome eben auf dieser negativen Erwartungshaltung beruhen.

Schließlich leben wir in Zeiten von Angst und Panikmache. Gerade die politischen Entscheider in Deutschland malen immer wieder die düstersten Prognosen von vielen Toten und schweren Krankheitswellen. So haben sowohl der neue wie auch der alte Bundesgesundheitsminister im letzten Herbst gewarnt bis März, bzw. bis Ende des Winters seien alle Menschen entweder geimpft, genesen oder halt verstorben. Es wurde vor der Omikron-Welle als Naturkatastrophe gewarnt. Wie wir längst wissen ist diese Katastrophe ausgeblieben. Viele Virologen und Spezialisten sehen die Dinge anders als die Politiker. Auch in den meisten anderen Ländern ist der Umgang mit der Pandemie bereits deutlich lockerer als in Deutschland.

Für die Betroffenen ist es allerdings vollkommen egal, ob die Beschwerden tatsächlich vom Virus stammen oder ob sie aufgrund von Stress durch die Infektionsmaßnahmen nicht mehr leistungsfähig sind. Viele Menschen leiden extrem und daher sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, ihnen zu helfen.

Mein Arzt findet nichts, alles ist in Ordnung

Die Beurteilung der Ärzte, dass keine organischen Gründe gefunden werden können und die Ursache psychosomatisch sein muss deckt sich mit den Erfahrungen meiner Patienten, die mich schon seit Jahren wegen unerklärlicher Müdigkeit aufsuchen. „Mein Arzt findet nichts“, „es ist alles in Ordnung“.

In den Ruhr Nachrichten wurde am 24.02.2022 über die Erfahrungen mit Long Covid und Post Covid am Lütgendortmunder Krankenhaus berichtet. Nach umfangreicher fachärztlicher Suche nach organischen Gründen werden hier meist eben auch nur Symptome behandelt. Wenn keine organischen Gründe gefunden werden, dann greift die psychiatrische Behandlung und hierbei kommen fast ausschließlich Antidepressiva ins Spiel. Laut Aussage in dem Bericht wirken diese bei den meisten Patienten sehr gut, Müdigkeit und Fatigue verschwünden unter Antidepressiva.

Gibt es denn aber wirklich keine zielführende Diagnostik? Ich denke doch! Denn es ist immer die Frage, wo und nach was man sucht. Wenn Antidepressiva wirklich helfen, dann macht es vor allem Sinn auch im Bereich der Neurotransmitter nach den Störungen zu suchen.

Was kann die Naturheilkunde und eine ganzheitliche Therapie leisten bei Long Covid/Post Covid? Was kann helfen gegen Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Depressionen und Ängste?

Leiden Sie vor allem unter Erschöpfung und Müdigkeit? Dann lesen Sie hier weiter.

Stehen bei Ihnen Depressionen und Angstsymptome im Vordergrund, dann könnte dieser Artikel für Sie interessant sein.

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Quellen:

Ärzteblatt

https://link.springer.com/article/10.1007/s00431-021-04345-z

https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.10.26.21265508v3.full.pdf+html

https://www.welt.de

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0889159122000472

https://www.diw.de/de/diw_01.c.823640.de/publikationen/wochenberichte/2021_34_1/kita-_und_schulschliessungen_haben_bei_westdeutschen_vaetern_einstellung_zur_erwerbstaetigkeit_von_muettern_veraendert.html

https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-03.pdf