Histaminintoleranz – oder habe ich doch was anderes?

„Ich habe eine Histaminintoleranz“, eine Histaminunverträglichkeit oder gar „ich habe eine Histaminallergie“. So beginnen viele Gespräche mit Menschen, die bei mir Hilfe und Unterstützung suchen. Was ist aber wirklich eine Histaminintoleranz und was kann man tun? Steckt vielleicht etwas ganz Anderes hinter den Symptomen?

Histaminintoleranz? Sind Rotwein und alter Käse Schuld an den Symptomen?

Die Menschen mit dieser „Diagnose“ versuchen ihre Symptome durch Auslassen histaminhaltiger Nahrungsmittel zu lindern. Damit kommen sie aber meistens nicht weiter.

Wahrscheinlich fallen auch Ihnen im Zusammenhang mit Histamin zuerst die Anti-Histaminika ein, Medikamente zur Senkung von allergischen Reaktionen. Wenn es etwas gibt, das „anti-“ wirkt, dann muss es sich ja um eine schädliche Substanz handeln – so die Schlussfolgerung vieler Menschen. Das ist aber nicht korrekt, denn ohne Histamin hätten wir ein großes Problem.

Was ist überhaupt Histamin?

Histamin ist zum einen ein Neurotransmitter, zum anderen ein Gewebshormon. „Histos“ ist griechisch für Gewebe und Amine sind chemische Verbindungen aus Aminosäuren. Bekannte weitere Amine sind bspw. Adrenalin oder Dopamin.

Alle Tiere und Pflanzen bilden Histamin. Bei den Pflanzen dient es als Schutz vor Feinden. Wir wissen, dass wir uns Brennnesseln nur sehr vorsichtig nähern und sie nicht berühren sollten. Die Ursache für unser brennendes Gefühl und die Quaddelbildung auf der Haut ist: das Histamin der Brennnesseln.

Histamin hat von allen Hormonen in unserem Körper die unterschiedlichsten Auswirkungen, es interagiert mit allen Organsystemen. Neben Schmerz und Juckreiz führt es u.a. zu einer erhöhten Wachheit und einer Verstärkung der Abwehrkräfte. Es kann die Ursache für Darmkrämpfe darstellen, Kopfschmerzen und innere Unruhe. Auf der anderen Seite ist es wiederum unerlässlich, damit sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnisten kann. Wir sehen: ein gesundes Gleichgewicht des Histaminhaushalts ist ungemein wichtig.

Es gibt keine Histaminintoleranz

Wir können keine Intoleranz gegenüber körpereigenen Stoffen entwickeln, auch nicht gegen Histamin. Es gibt ja auch keine Adrenalin-Intoleranzen – oder? Unverträglichkeiten können wir nur gegen körperfremde Substanzen entwickeln. Eine Histaminintoleranz ist daher eine falsche Bezeichnung.

Da alle Lebewesen Histamin produzieren, nehmen wir es ständig über die Nahrung zu uns. Bei Störungen im Histaminstoffwechsel kann es vorkommen, dass wir durch die Nahrung aufgenommenes, zusätzliches Histamin nicht richtig abbauen können. Dann gibt es Verdauungsstörungen vielfältiger Art. Der Hausarzt nennt diese dann häufig „Reizdarm-Syndrom“, ohne auf die Ursachen näher einzugehen und empfiehlt eine histaminarme Diät. Rotwein und alter Käse werden dann vom Speiseplan gestrichen – und häufig verbessert sich trotzdem nichts.

In manchen Fällen kann der Verzicht auf Histamin Symptome lindern. Das liegt dann aber nicht an einer Unverträglichkeit von Histamin. Der Grund ist in diesen Fällen, dass das Histamin-Fass im Körper aus irgendeinem Grunde übergelaufen ist.

Quellen für Histamin

Aus drei Richtungen ist Histamin für uns relevant. Die Quellen sind:

Körpereigenes Histamin, gebildet in unseren Mastzellen

Mastzellen bilden quasi die erste Reihe in der Abwehr. Sie sitzen im Gewebe und schütten bei entsprechender Bedrohung bestimmte Botenstoffe ins Blut aus. Histamin ist dabei der Stoff mit der stärksten Wirkung.

Histamin des Nervensystems, wichtig für das Gehirn

Im Gehirn ist es unter anderem zuständig für Hunger und Durst, den Schlaf-Wach-Rhythmus, Angst und Erregung und die Konzentration. Es steht im engen Kontakt mit den anderen Neurotransmittern, wie Dopamin und Adrenalin. Daher beeinflusst es weitreichend unsere Emotionen und unseren Antrieb. Bei psychischen Erkrankungen sollten die betroffenen Menschen meiner Meinung nach immer auf eine mögliche Störung im Histaminhaushalt untersucht werden.

Nahrungsmittelhistamin (von außen zugeführt)

Der Anteil von Histamin in den einzelnen Lebensmitteln schwankt sehr stark. Generell kann man allerdings sagen, dass alle lange gereiften oder gelagerten Lebensmittel einen eher hohen Histamingehalt haben. Essig, Dosenfisch, alter Käse und lange gelagerte Nüsse sind klassische Histamin-Bomben.

Im ausgeglichenen Stoffwechsel sorgt der Körper von allein dafür, dass das Histamin auch wieder abgebaut wird. Dafür benötigen wir zwei Enzyme: das DAO (Diaminoxidasen) und das HNMT (Histamin-N-Methyl-Transferasen). DAO wird von der Dünndarmschleimhaut abgegeben und wirkt innerhalb des Darms gegen das Nahrungsmittelhistamin.

DAO im Blut – kein Aussagewert für Histamintoleranz

Ein klassischer Fehler, der immer wieder gemacht wird, ist es, das DAO im Blut zu messen. Wenn es dort zu niedrig ist, dann wird die Diagnose „Histamin-Unverträglichkeit“ gestellt. Die Menge des DAO im Blut hat jedoch überhaupt keinen relevanten Wert – das DAO muss im Darm gemessen werden, dort wo sein Wirkort ist. Aus der Menge von Zucker im Vorratsschrank können wir ja auch nicht darauf schließen, wieviel wir in den Teig gegeben haben. Dies wiegen wir ja auch beim Teiganrühren ab und bewerten es nicht durch den Blick in die Vorräte.

Ein ausgeglichenes Verhältnis von Histamin und DAO ist übrigens enorm wichtig für eine bestehende Schwangerschaft. An dies sollte bei Problemen in der Schwangerschaft immer gedacht werden.

Das zweite Enzym HNMT ist wichtig für den Abbau des körpereigenen Histamins. Daher befindet es sich innerhalb unserer Zellen. Für die Bildung beider Enzyme sind verschiedene Baustoffe enorm wichtig. Dazu zählen unter anderem Vitamin B6, Zink und Mangan. Daher kann eine KPU der Auslöser für die Symptome sein. Aber auch S-Adenosylmethionin (SAM) muss ausreichend vorhanden sein.

Korrekte Bezeichnung: Histaminose

Wenn es an einer dieser Stellen einen Mangel oder ein anderes Problem gibt, dann wirkt sich das negativ auf den Histaminabbau aus. Sogenannte Histaminosen entstehen. Histaminosen sind ein Überschuss an Histamin im Körper – das führt zu vielfältigen Symptomen. Ein permanent hoher Histaminspiegel bedeutet für den Körper das Signal für Gefahr, Stress! Ein schneller Puls, angespannte Muskeln, Durchfall oder nächtliches Erwachen sind typische Symptome. Es ist also nicht das Problem einer Intoleranz gegenüber Nahrungsbestandteilen, sondern das eines übergelaufenen Histamin-Fasses.

An dieser Stelle die richtige Ursache zu finden, das ist nun die Herausforderung. Es gilt erst einmal zu erforschen, wo das Problem entsteht und wie es sich auswirkt. Je nach spezifischer Symptomatik sollte gezielt untersucht werden. Dabei grenze ich erst einmal die Symptome ein, um zu erkennen, wo die Hauptprobleme bestehen. Die sich daraus ergebenden notwendigen Laboruntersuchungen können bspw. sein:

  • Stuhluntersuchung auf Histamin und DAO im Stuhl! (Histamin allein ist nicht aussagekräftig!). Denn Histamin im Stuhl kann auch erhöht sein beim Verzehr von Nahrungsmitteln, gegen die eine Allergie besteht. Das gemessene Histamin ist dann unser eigenes, durch die Mastzellen ausgeschüttete und nicht das aus der Nahrung selbst. Das muss immer unterschieden werden! Wichtig ist dabei zu untersuchen, ob die gebildeten Enzyme (DAO) ausreichen.
  • Histaminstoffwechsel
  • Methylierungskapazitäten
  • Kryptopyrrolurie
  • Neurotransmitter und Katecholamine

Die letzten 4 Untersuchungen erfolgen aus dem Urin. Die Therapie richtet sich dann nach den gefundenen abweichenden Werten. Gerade das Thema Histamin ist sehr komplex und manchmal ist es die Nadel im Heuhaufen nicht immer sofort zu finden.

Mastozytose – überaus selten

Bei bestimmten Symptomen könnte auch ein Mastozytose als Ursache vorliegen. Diese sehr seltene Erkrankung (1 von 300.000) führt zu einer unkontrollierten Vermehrung von Mastzellen und damit auch zu einer meist schubweisen Freisetzung von Histamin und anderen Botenstoffen.

MCAS (Mastzellaktivierungssyndrom)

Deutlich häufiger findet sich das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS – ausgesprochen: „emmkas“). Dabei sind die Mastzellen hochgradig übersensibel und hochreaktiv. Alltägliche Reize wie Kälte oder Wärme, vor allem aber Stress führt dabei zu einer Freisetzung von Histamin. Gerade hierbei sind die Symptome sehr unterschiedlich und sie können den gesamten Organismus betreffen. Typische Symptome sind Herzrasen, Schwindel, Juckreiz, starke Erschöpfung, Übelkeit und Erbrechen, aber auch Angst- und Panikattacken.

Das MCAS ist relativ unbekannt, auch bei Therapeuten. Patienten und Patientinnen mit einem MCAS werden häufig als „psychosomatisch“ abgestempelt, da ihre Symptome neben körperlichen Beschwerden vor allem auch psychischer Art sind. Depressionen und Angststörungen haben aber häufig eine Ursache in einem gestörten Verhältnis von Neurotransmittern. Oder eine unkontrollierte Freisetzung von Histamin kann der Auslöser sein. Dann helfen eine Psychotherapie oder Antidepressiva wirklich nicht weiter.

Anhand der Symptome lässt sich ein MCAS als Ursache eingrenzen. Die Diagnostik erfolgt allerdings durch Untersuchungen spezialisierter Ärzte durch Speziallaboruntersuchungen und Biopsien.

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen – lassen Sie sich helfen

Sie sehen, das Thema Histamin ist vielfältig und bezieht nicht nur auf einen einzelnen Blutparameter. Es ist wirklich nicht damit getan, auf bestimmte Nahrungsmittel zu verzichten. Für ein wirkliches Wohlbefinden muss intensiver nach der Ursache geforscht werden. Denn die Symptome des überschießenden Histamins können ggfs. tiefer liegende Ursachen haben. Eine Spurensuche ermöglicht ggfs. auch eine am Kern ansetzende Therapie, statt nur einer Symptomunterdrückung.

Gerne berate ich Sie hierzu persönlich.

Quelle: „Der Histamin-Irrtum“ Kyra und Sascha Kauffmann, VAK Verlag

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