Verfügen Sie über eine gute Resilienz? Wie gut können Sie Ihre psychische Gesundheit auch in problematischen Zeiten bewahren? Resilienz ist die Fähigkeit sich zu erholen, trotz ausdauerndem Stress. Was stärkt uns, was macht uns resilient? Was ist wichtig für Ihre Widerstandskraft?
Entscheidende Eigenschaften stärken uns. Leider beobachte ich, dass einige unserer wichtigen Ressourcen immer mehr abnehmen.
Wir befinden uns seit bald zwei Jahren in einer Krise, wie die meisten von uns sie noch nicht erfahren haben. Warum verfallen aber die einen Menschen in einen Panikmodus und andere nicht?
Manche Menschen verfügen über einen größeren Schatz an eigenen Ressourcen, andere sind in ihrem Sein mehr von anderen abhängig. Was können wir tun, um resilienter zu werden? Das Thema Resilienz füllt viele Bücher und hat eine Vielzahl von Aspekten. Auf einige wichtige Punkte möchte ich hier eingehen.
Resilienz steigern durch ein freundliches und hilfsbereites Miteinander
Eine wichtige Ressource für Resilienz sind unsere sozialen Kontakte, Freunde und Familie, Kollegen und Nachbarn. Eine gute Gemeinschaft stärkt jeden Einzelnen, das ist keine neue Erkenntnis. Leider beobachten wir doch aber alle, dass der Umgangston unfreundlicher, regelrecht aggressiver wird. In den sozialen Medien kann man das schon lange sehen, aber auch an der Supermarktkasse oder sonst wo wird dies immer offensichtlicher. Liegt dies am social distancing? Hat es sich so in unsere Gehirne eingebrannt, dass unser Gegenüber und uns potenziell krank macht?
Ich vermisse die Hilfsbereitschaft von früher, viele Menschen kümmern sich nur noch um sich. Aber genau das ist der Punkt, an dem wir unsere eigene Resilienz wieder stärken können. Freundlich bleiben und unsere Mitmenschen unterstützen so gut wir können ist eben auch eine Basis für unsere eigene Gesundheit. Es stärkt die Gemeinschaft in schwierigen Zeiten und somit jeden einzelnen – fühlt sich nicht nur besser an, es stärkt immens jeden einzelnen.
Proaktive Grundhaltung: nicht den Kopf in den Sand stecken!
Zu den zentralen persönlichen Kompetenzen zähle ich vor allem eine proaktive Grundhaltung: nicht den Kopf in den Sand stecken. Im Idealfall übernehmen wir selbst die Verantwortung für unser Leben und unser Wohlergehen. Im Problemfall suchen wir nach Lösungen, statt nur herumzujammern. Aber wir verlieren zurzeit zunehmend unsere Handlungsfreiheit und gerade dieses wichtige Gefühl, selbst für uns verantwortlich sein zu können. Eine Dauerschleife von Krisenmeldungen und der Verlust normalen Lebens lässt uns zunehmend ohnmächtig werden.
Gerade jetzt wird Resilienz daher stärker benötigt als im Normalzustand. Resilire bedeutet: abprallen = wie ein Gummiball in die ursprüngliche Form zurückzufinden nach dem Aufprall.
Werbesendungen und Dauermeldungen hypnotisieren und stören das eigene Denken
Sich permanent wiederholende Meldungen erinnern an die Methode der Trance-Induktion. Ständige Wiederholungen werden genutzt, um Menschen zu hypnotisieren, eben in Trance zu versetzen. Wiederholungen der immer selben Worte mit leichten Veränderungen führen zu einem veränderten Bewusstseinserleben. Dies kann man positiv nutzen, bspw. in Form der Heilhypnose. Dasselbe Prinzip findet aber auch bei Manipulationen statt. Diese erfolgen meist ungewollt und in der Regel unbemerkt. Schalten Sie Werbung und Dauermeldungen einfach ab.
Wir sind alle manipulierbar. Oft sehen und hören wir nur das, was wir sehen und hören wollen. Häufig bekommen wir aber auch gar keine zwei Seiten einer Medaille zu Gesicht, sodass der Blick automatisch einseitig bleibt. Aber dieses Gefühl, dass es nur eine Seite gibt, bringt ebenfalls das Gefühl einer gewissen Hilflosigkeit mit sich (ich kann es ja nicht ändern, es gibt keine Alternativen). Es lässt uns Aussagen glauben, ohne Zweifel zu erheben, Meinungen unkritisch als unsere eigenen übernehmen und tagtäglich auf Werbebotschaften hereinfallen.
Selbstwirksamkeit statt fremdbestimmt sein
Dabei geht eben ein ganz wesentlicher Punkt zur Resilienz verloren: das eigene Erleben von Selbstwirksamkeit. Das ist das Wissen und das Erleben, dass ich mit meinem Denken und Handeln selbst etwas bewirken kann. Dass ich meine eigenen Entscheidungen treffen kann und dass ich mich auch entscheiden kann, etwas ganz anders zu denken und zu machen als andere. Umso enger der Spielraum scheinbar wird, desto unflexibler wird das Denken. Das Gefühl fremdbestimmt zu sein stellt das Gegenteil von Selbstwirksamkeit dar. Fremdbestimmung schadet unserer Resilienz.
Das Spiel mit der Angst
Mit unseren Ängsten wird häufig gespielt, indem uns richtige Fakten in einen verwirrenden Zusammenhang gesetzt werden. Zahlen lügen nicht, wenn sie aus einer vertrauenswürdigen Quelle stammen. Oder? Die Frage ist immer, wer will was damit erreichen? „Vertraue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ – diesen Spruch kennt jeder Controller. Viele Menschen nehmen Zahlen aus seriösen Quellen aber gutgläubig und widerspruchslos hin, ohne den Zusammenhang zu hinterfragen. Dabei müssen die Zahlen noch nicht einmal gefälscht sein. Es reicht den Zusammenhang zu verschleiern.
Ein wichtiger Punkt, den Sie sich bei der Betrachtung von Statistiken aber immer wieder fragen sollten: handelt es sich um absolute oder relative Zahlen? Relative Zahlen bergen die Gefahr, dass sie manipulativ eingesetzt werden können. Sie sind geeignet, unsere Gefühle anzusprechen.
Wer sich mit diesem Thema näher beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Veröffentlichungen von Gerd Gigerenzer, dem ehemaligen Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Zur Vorbeugung von Denkfehlern empfiehlt er „Denkwerkzeuge“, um sich zu informieren, mitzudenken und dann zu entscheiden. Insbesondere weist er immer wieder genau auf die unterschiedliche Wirkung von relativen und absoluten Zahlen hin.
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast
Ein sehr interessantes Beispiel ist die Werbung für das Brustkrebsscreening mittels Mammographie. Brustkrebs ist ein großes Angstthema. Jeder von uns kennt Patientinnen im näheren Umfeld und was die Diagnose und die Therapie angerichtet haben. Ist die regelmäßige Mammographie ab 50 aber die Lösung? Die Werbung für diese Methode lässt dies zweifelsfrei so erscheinen, denn die Mammographie senkt das Sterberisiko ja um 25%. Hört sich überzeigend an, oder?
Ab dem 50. Lebensjahr erhalten wir Frauen alle zwei Jahre eine freundliche Einladung mit einem bereits vorgegebenen Termin. Das gibt doch ein gutes Gefühl, da kümmert sich jemand um uns. Wirklich? Gerd Gigerenzer empfiehlt genau dieses Beispiel, um es mit absoluten Zahlen durchzuspielen. Dann stellt es sich nämlich so dar:
„Wenn 1000 Frauen zehn Jahre lang regelmäßig ein Mammogramm machen lassen, sterben im Lauf dieser zehn Jahre etwa drei Frauen an Brustkrebs. Ohne die Reihenuntersuchung würden etwa vier Frauen sterben (so ergibt sich die relative Risikoreduktion von 25 Prozent). Absolut reduziert sich das Risiko allerdings nur um 0,1 Prozent. Denn nur eine von 1000 Frauen hat einen Nutzen – wenn 1000 gesunde Frauen über 10 Jahre lang an den Screenings teilnehmen. Von diesen Frauen werden viele im Lauf der Jahre wenigsten einmal eine falsch-positive Diagnose bekommen und unnötige Ängste und einschneidende Therapien erleiden.“ (Quelle: Zahlenspiele – Illusionen der Gewissheit, MAXPLANCKFORSCHUNG 4/2003).
Mit anderen Worten: 1000 Frauen müssen 10 Jahre lang regelmäßig zur Mammographie, um 1 Frau vor dem Tod vor Brustkrebs zu schützen. Dabei setzen sie sich einem hohen Risiko einer falsch positiven Diagnose aus, mit allen Ängsten und Untersuchungen, die das dann mit sich zieht und ggfs. sogar überflüssigen Behandlungen. Das hört sich anders als die simple Aussage, dass das Brustkrebssterberisiko um 25% sinkt. Dabei sind alle Zahlen aber durchaus korrekt.
Diese Zahlen finden sich auch in den Faktenboxen des Harding-Zentrums für Risikokompetenz: https://www.hardingcenter.de/sites/default/files/2020-04/Faktenbox_Mammographie_DE_neues_Design_20191012.pdf.
Zahlenspielereien zu durchschauen schützt vor Manipulationen
Wer sich für diese Zahlenspielereien interessiert, dem empfehle ich die Seite „Unstatistik des Monats“ und das Buch „Das Einmaleins der Skepsis: Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken“ (Berlin Verlag) Seien Sie immer vorsichtig, wenn nur Prozente von irgendwas angegeben werden, ohne die Gesamtzahlen zu nennen. Auch sollte man immer hinterfragen, wie bestimmte Angaben wirklich definiert sind, worauf beziehen sich Prozentzahlen, wie sind die absoluten Werte. Zahlenkompetenz steigert die Resilienz und stärkt dabei, die eigene Perspektive zu wahren.
Ich kann wirklich empfehlen, sich mal mit den Zahlen, die uns ständig umgeben, vertraut zu machen und zu hinterfragen, ob uns jemand objektiv informieren will oder etwas „verkaufen“ möchte. Beim Verkaufen könnte es sich um wirtschaftliche Interessen handeln (beim Thema Massenmammographie sicherlich ein Thema, denn die Geräte müssen ausgelastet werden) oder um Manipulation von Meinungen. Angst ist ein guter Motivator und vor allem zurzeit ein ständiger Begleiter.
Hinterfragen Sie so oft wie möglich, Fake-News lauern von allen Seiten
Lassen Sie sich nicht nervös machen, sondern hinterfragen Sie das Gesagte und Veröffentlichte. Dies gilt nicht nur für Zahlen, sondern auch für einfache, aber wirkungsvolle Aussagen. Umso mehr Ihr Gefühl angeregt wird, vor allem Angst, dann sollten Sie misstrauisch werden. Ich bekomme immer noch viele Anfragen bezüglich eines derzeit kursierenden Videos. Dies ist genau so ein Fall, bei dem mit Falschaussagen über angebliche Blutverklumpungen Panik verbreitet wird. Lesen Sie hier, was es damit auf sich hat.
Aber auch die vermeintlich seriösen Medien sind kein Garant für glaubhaften Journalismus. Ich möchte da nur an die preisgekrönten Reportagen von Claas Relotius erinnern, die vor allem im Spiegel erschienen sind und größtenteils reine Fiktion waren, wie vor drei Jahren bekannt wurde. Bei mir hat dieser Medienskandal nicht zu einem größeren Vertrauen geführt.
Stärken Sie Ihre Selbstverantwortung durch eine gesunde Skepsis und erleben Sie einen angemesseneren Umgang mit den eigenen Gefühlen. Dies sind zwei wesentliche Punkte für Resilienz. Außerdem führen Sie auch eher zu einer eigenen und individuellen Lösung. Dies senkt die Ohnmacht gegenüber Krisen und macht widerstandsfähig.
Quellen und Impressum überprüfen
Ich habe mir angewöhnt, die Quellen zu hinterfragen und bei Internetseiten nach Kontakt und dem Impressum zu schauen und ggfs. auch mal die wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen zu ergründen. Einiges wird sogar erstaunlich transparent gehalten.
Wenn die deutsche Zuckerindustrie regelmäßig Parteitage großer Parteien sponsort, dann darf man sich nicht wundern, dass wir immer noch kein Gesetz zur Unterbindung von Werbung für zuckerhaltige Nahrungsmittel haben, dafür aber 20% übergewichtige und fettleibige Kinder und Jugendliche (laut RKI 2018), Tendenz steigend. Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing… Was die Tatsache bedeuten mag, dass der Pharmariese Pfizer, als Mutterkonzern von Biontech, ebenfalls seit Jahren Parteitage sponsort lasse ich für Ihre eigenen Überlegungen offen. Alles zum Wohle Ihrer Gesundheit?
Skepsis und Suche nach dem Kern bestimmen meinen Praxisalltag
Bei meiner täglichen Arbeit ist es für mich von großer Bedeutung auch nicht immer alles ungefragt zu übernehmen oder zu akzeptieren. Stimmen die Diagnosen, mit denen meine PatientInnen zu mir kommen wirklich? Oder noch wichtiger: stimmt die häufige Aussage „ihr Blut ist in Ordnung, Sie sind gesund“? Gezieltes Suchen bringt es dann häufig zutage, was doch nicht stimmt – in diesem Falle wirklich zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Quellen:
https://www.rwi-essen.de/unstatistik/120/